aus meinem boulettenleben

Viele fragen sich vielleicht, wie das Leben als Boulette sein mag.
Glauben Sie mir, es ist weniger angenehm als gedacht.
Und ich spreche aus Erfahrung.
Denn es trug sich zu, dass ich eines Morgens ganz ohne Vorankündigung in der Auslage einer Fleischerei aufwachte.
Mein Körper, der zuvor aus Muskeln, Knochen, Fettgewebe und Organen bestand, war plötzlich zu einem Klumpen aus Hackepeter, Zwiebeln und eingeweichtem Brötchen geworden.
Außerdem war ich leicht versalzen.
Und so lag ich also beim Fleischer in der Theke, umgeben von anderen Bouletten und dachte nicht böses, bis mir meine Nachbarn von dem Schicksal erzählten, welches wahrscheinlich auch mir bald blühen sollte.
Was die anderen Hackfleischbatzen zu berichten wussten, war beängstigend.
Sie erklärten mir aber auch, dass es einen Ausweg gab.
Dieser Ausweg hieß: Bakterienbefall oder Schimmel.
Hinter dem Meer von Bouletten erkannte ich Sülzwurst und Kasseler, Knacker und Rippchen und alles war fürchterlich frisch. Bakterien sah ich keine und für Schimmel war ich zu jung.
Und schon passierte, was wohl passieren musste.
Eine Rentnerin mit Namen Gertrud Fritsche zeigte mit ihrem knochigen Finger auf mich, bezahlte, was auch immer mein Boulettenleben wert war, trug mich nach Hause und briet mich viel zu lange und viel zu braun durch.
Von da an wurde die Sache unangenehm.
Erst wurde ich dick mit Senf beschmiert, dass mir die Luft wegblieb, danach schnitt sie mich in mundgerechte Stücke, um im Anschluss mit schlecht sitzenden Zähnen auf meinem zerstückelten Leib herum zu kauen.
Fein zerkaut wurde ich hinuntergeschluckt in den Magen. Hier war es dunkel und eng und Säure begann mich zu bearbeiten.
Nun war die Tortur aber noch nicht beendet. Ganze sechs Tage verweilte ich in Frau Fritsches Verdauungstrakt. Ein Bakterienbefall hätte diese Zeit sicher verkürzt, das begriff ich jetzt.
Im Schneckentempo wurde ich also durch die Untiefen ihrer Gedärme geschoben.
Ein überaus widerwärtiges Prozedere, dass ich nicht meinem schlimmsten Feind zu durchlaufen wünsche.
Als ich endlich wieder Tageslicht erblickte, war von meinem einst sehr appetitlichen Aussehen nicht mehr viel geblieben …
Auf sehr unangenehme Art hatte ich also lernen müssen, dass das Leben einer Boulette zu Beginn zwar schmackhaft scheint, am Ende aber einfach Scheiße ist.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *