herr zsolt und die ewige jugend

Seit der Mensch in seiner jetzigen Form auf dem Planeten existiert, gibt es eine Sorge, die ihn am meisten umtreibt. Und Sie ahnen es bereits, es handelt sich um die Angst vor dem Alter.
Seit Jahrtausenden schon versuchen weise Männer und Frauen der Natur ein Schnippchen zu schlagen, sie zu überlisten oder gar zu hintergehen. Allerdings bisher stets mit mäßigem Erfolg. Egal wie viel Botox man sich auch spritzen mag, der Zahn der Zeit nagt am Gewebe und hinterlässt seine Spuren. Das zu akzeptieren fällt häufig schwer.
Einen Fall jedoch gab es in der Geschichte der Menschheit, da war es einem gelungen, die Formel für ewige Jugend zu entdecken.
Im Jahre 1974 gelang dem ungarischen Küchengehilfe Laszlo Zsolt zufällig die bahnbrechende Entdeckung.
In einem beliebten Gulaschrestaurant in einem kleinen Grenzort kurz nach Szeged tat Herr Zsolt an einem Samstagmorgen im März seinen gewohnten Küchendienst und ahnte nichts Böses.
Der Küchenchef hatte ihn mit der Niederschrift eines Dessertgerichtes aus dem Banat beauftragt.
Laszlo Zsolt war allerdings weder des Schreibens mächtig, noch hatte er eine Ahnung von Speisen oder Lebensmitteln im Allgemeinen. Was nicht weiter schlimm war, weil man ihn zum Kartoffelschälen angestellt hatte. Und das konnte er vortrefflich.
Also rief ihm der Küchenchef die einzelnen Zutaten zu und Laszlo schrieb, wie er es verstanden hatte. Kurzum: Das Rezept war vollkommen unbrauchbar.
Der Küchenchef entschied, dass es nun an der Zeit war, dass Laszlo den Nachtisch zubereiten sollte. Er war der Meinung, dass Leute, die Kartoffel schälen können, auch gut Banater Desserts zubereiten können.
Und so ließ der Chef seinen Gehilfen in der Küche allein zurück, um daheim ein kleines Mittagsschläfchen zu halten.
Voller Tatendrang machte sich Laszlo ans Werk, den Küchenchef nicht zu enttäuschen und sich endlich zu bewähren, als einer, der mehr kann, als Kartoffeln von der Schale zu befreien.
Doch mit dem Gekritzel auf dem Papierfetzen konnte Laszlo nichts anfangen.
Weder Zutaten noch Mengenangaben oder die Vorgehensweise war daraus zu entnehmen.
In seiner Not warf Laszlo alles, was er in der Küche des beliebten ungarischen Gulaschrestaurants finden konnte in eine große Schüssel.
Bald schon hatte er eine zähe, klumpige Masse angerührt. Und je mehr er rührte, desto zäher wurde sie. Bis ihm bald das Handgelenk zu brechen drohte.
Als der Teig zu einem festen Klotz geformt war, entschloss Laszlo, ihn in den Ofen zu geben, für unbestimmte Zeit.
Nach einiger Zeit war der intensive Paprikageruch kaum mehr zum Aushalten und er nahm das nun dunkel verfärbte Objekt aus dem Ofen.
Laszlo Zsolt betrachtete seine Kreation und stellte fest, dass er versagt hatte.
Bevor er den unförmigen, verkohlten Batzen in die Mülltonne gab, machte er einen Versuch, von ihm zu kosten.
Er nahm einen großen Bissen, schaffte es mit Mühe, ihn im Mund zu behalten und überwand sich gar, das Gekaute hinunterzuschlucken.
Als der Küchenchef zurück war und feststellen musste, dass sein Gehilfe unfähig gewesen war, das Dessert zuzubereiten, hieß es für Laszlo fortan wieder Kartoffel schälen.
Seine Inkompetenz nagte an seinem Selbstbewusstsein. Doch nicht lang.
Bald schon bemerkte er an sich einige interessante Veränderungen.
Seine Haut war straffer und weicher geworden, das Haar voller und die vormals grauen Schläfen erstrahlten wieder in sattem Schwarz.
Auch die Poren im Gesicht waren kleiner als früher und sonderten weniger Talg ab.
Wo immer Laszlo Zsolt erschien, wurde er mit Komplimenten für sein junges, frisches Aussehen überhäuft.
Er grübelte lang darüber nach, was sein verändertes Äußeres wohl verursacht haben könnte und kam bald zu dem Entschluss, dass wohl der verhunzte Nachtisch damit in Zusammenhang stand.
Sofort machte er sich ans Werk, das Gericht ein weiteres Mal zu kochen.
So gut es ging, sein Erinnerungsvermögen war mehr als mangelhaft, versuchte er die Zutaten zusammenzutragen.
Laszlo hatte soeben einen neuen verkohlten Batzen aus dem Ofen geholt, als sein Vorgesetzter die Küche betrat.
Er musterte seinen Gehilfen und das unförmige Ding, welches dieser in den Händen hielt und bekam einen fürchterlichen Wutanfall.
Der Küchenchef geriet derart in Rage, dass er Laszlo erschlug und den misslungenen Nachtisch in den Mülleimer warf. Und so verschwand mit Laszlo und dem Dessertgericht auch das Rezept für die ewige Jugend.
Die Geschichte von Laszlo Zsolt und dem Rezept für die ewige Jugend ist in der kleinen Grenzstadt unweit von Szeged noch heute bekannt.
Und fragt man die Menschen der Region, so werden die einem sagen, dass das Geheimnis der ewigen Jugend nicht in Spritzen, Tinkturen oder Cremes verborgen liegt, sondern in der Küche eines beliebten ungarischen Gulaschrestaurants zu finden ist.

bürgermeister wurm

Es war einmal in einem weniger bedeutenden Dorf in einer weniger bedeutenden Region, ein Bürgermeister, der auch nur wenig bedeutend war. Dies jedoch war nicht etwa ein Mangel, sondern eine Tatsache.
Und dieser Bürgermeister war auch kein schlechter Bürgermeister.
Pflichtbewusst kümmerte er sich um die Belange der Dorfbewohner.
Und weil diese Belange eher belanglos waren, hatte er nicht sehr viel zu tun.
Gerne hätte er einmal etwas richtig “Bedeutendes” vollbracht, doch weil irgendwie alles um ihn herum so wenig bedeutungsvoll war, blieb dies ein unerfüllter Traum.
Eine Besonderheit besaß der Bürgermeister, der mit Namen “Wurm” hieß.
Wann immer Bürgermeister Wurm ein Dorf-, Schützen- oder Sportfest eröffnete und eine Rede halten sollte, überkamen ihn rhythmische Zuckungen. Manchmal so stark, dass er sich zu winden begann. Einmal ereilte ihn ein derart heftiger Anfall, dass er sich sogar zu Boden geworfen haben soll.
Das war halt nun mal so und für die meisten Dorfbewohner etwas, an das man sich schon vor langer Zeit gewöhnt hatte.
Er war eben ein nervöser Typ, unser Bürgermeister, hörte man dann die Leute sagen.
Der Dorfdoktor mutmaßte Schlimmeres. Von Epilepsie war gar die Rede. Aber von so was wollten die Bewohner nichts wissen, weil sie mit derart “neumodischem Gelumpe” nichts anfangen konnten.
Eines schicksalhaften Abends erlitt der Bürgermeister beim Verzehr einer Knackwurst einen besonders intensiven Anfall.
Seine Frau hatte es noch mit “erster Hilfe” versucht, doch vergebens.
Lang noch trauerten die Dorfbewohner ihrem Bürgermeister hinterher.
Und noch bevor ein neuer Bürgermeister gewählt werden konnte, ereignete sich etwas, was das weniger bedeutende Dorf auf lange Zeit verändern sollte.
Kurz nachdem man den Verschiedenen zu Grabe getragen hatte, trug es sich zu, dass der alte Dorflehrer Schulze in seinem Garten eine Entdeckung machte.
Beherzt hatte er seinen Spaten in ein zukünftiges Radieschenbeet gestoßen und eine Ladung Erde aus dem Boden gehoben, als er in dem Erdklumpen ein Zucken vernahm.
Was anfangs wie ein gemeiner Regenwurm schien, entpuppte sich schnell als etwas ganz besonderes.
Der aus dem Erdreich entnommene Wurm bewegte sich haargenau so wie der kürzlich verstorbene Bürgermeister, der selige Bürgermeister Wurm.
Umgehend rief der Dorflehrer eine Gemeindezusammenkunft aus, um den anderen Dorfbewohnern von seiner Entdeckung zu berichten.
In einer leeren Erbsenbüchse trug der Lehrer den erdverkrusteten Wurm ins Rathaus.
Ein jeder, der gekommen war, konnte sich von dem Wunder überzeugen und alle waren sich einig: Der Wurm in der Büchse, das war nicht irgend ein gewöhnlicher Wurm, denn so zuckte kein gewöhnlicher Wurm.
Nein, das war der Bürgermeister Wurm!
Selbst die, die vorher nichts von Reinkarnation wissen wollten, waren sich nun sicher, dass der Bürgermeister in Form dieses Regenwurms wiedergeboren wurde.
Also übergab man das Bürgermeisteramt umgehend an den neuen alten Bürgermeister – den Bürgermeister Wurm.
Und wie man es von ihm gewohnt war, leistete er seinen Dienst pflichtbewusst und zur vollen Zufriedenheit der Dorfbewohner. Zwar war der neue Dorfvorsteher die meiste Zeit ziemlich stumm, was jedoch viele der Dorfbewohner überhaupt nicht störte, so lange er bei seinen Auftritten ordentlich zuckte.
Es dauerte nicht lang, da machte das Kuriosum die Runde.
Zu erst kamen die Medien, dann die Touristen und einige Zeit später siedelten sich Firmen aus dem Bereich der Hochtechnologie an.
Die Region blühte auf und war auf einmal gar nicht mehr so unbedeutend wie einst.
Der lang gehegte Traum des alten, des verschiedenen Bürgermeisters wurde endlich Wirklichkeit.
Und wer weiß, vielleicht muss man manchmal erst als Wurm wiedergeboren werden, um erfolgreich zu sein.
Wenn ich etwas aus der Geschichte gelernte habe, dann ist es die Tatsache, dass man beim Verzehr von Knackwurst stets Vorsicht walten lassen sollten.
Schließlich hat nicht jeder das Glück, als Wurm zu reinkarnieren.